Die Abnehm-Spritze

Einleitung

Wenn man über die Wirkung, den Nutzen und die Risiken moderner Medikamente zur Unterstützung der Reduktion von Übergewicht reden will, sollte man zunächst verstehen welche grundsätzlichen körperlichen Mechanismen existieren und warum herkömmliche Methoden (Diäten) in der Regel nicht funktionieren.

Genetisch bedingt werden im Körper in Zeiten der Kalorienüberzufuhr Reserven in Form von Körperfett angelegt. Dieser genetisch verankerte Ablauf ist über hunderttausende von Jahren etabliert und kann nicht mal eben abgeschaltet werden.

Wenn nun ganz konkret ein übergewichtiger Mensch eine Diät beginnt wird aus diesem Grunde zunächst kein Fettgewebe reduziert. Als erstes wird unser Körper Stoffwechselprozesse herunterfahren um Energie einzusparen. Dies betrifft die Verdauungsorgane (welche auch aufgrund der geringeren Verdauungsarbeit weniger Energie verbrauchen) aber auch alle anderen Systeme. Dadurch verliert man kein Gewicht und ist im Hungerstoffwechsel weniger leistungsfähig

 

Medikamentöse Einflussnahme

Eine neue Generation von Medikamenten erzielt ihre Wirkung durch das Umgehen körpereigener Mechanismen zum Körperfetterhalt und ermöglichen damit ein Abnehmen bei negativem Energiehaushalt (mehr Verbrauch als Zufuhr).

Ursprüngliches Anwendungsgebiet dieser Medikamente ist der Typ 2 Diabetes mellitus (Altersblutzucker), da bei dieser Erkrankung jede Reduktion von Fettgewebe eine Verbesserung des Zuckerstoffwechsel bewirkt.

Ein Vertreter dieser Gruppe ist das Medikament Semaglutid welches seit 2018 unter dem Handelsnahmen Ozempic in der EU zur Behandlung des Typ 2 Diabetes zugelassen und in Verwendung ist.  Die Anwendung erfolgt mittels Spritze einmal pro Woche als subkutane Injektion (ähnlich einer Thrombosespritze). Neben einer verbesserten Blutzuckereinstellung und einer Reduktion der diabetesbegleitenden Komplikationen wird eine deutliche Gewichtsreduktion der damit behandelten Patienten beobachtet. Die appetitverringernde Wirkung erklärt sich zum einen durch eine Wirkung auf den körpereigenen Insulinhaushalt, zum anderen durch eine verzögerte Magenentleerung.

Vereinfacht gesagt deaktiviert diese Medikamentenwirkung das oben beschriebene Kaloriensparprogramm im Hungerstoffwechsel.

 

 

 

Anwendung bei Übergewicht

Aufgrund der Erfahrungswerte beim Einsatz als Diabetesmedikament ist es nicht sonderlich überraschend, dass für das Medikament Semaglutid ein neuer Anwendungsbereich erschlossen wurde.

Seit 2023 hat der Hersteller eine Zulassung für Semaglutid für die Behandlung der Fettleibigkeit (Adipositas) ab einem BMI von 30 erhalten. Bei dem zusätzlichen Vorliegen von weiteren Risikofaktoren wie Hypercholesterinämie, Bluthochdruck oder Diabetes (hier egal ob Typ 1 oder 2) ist es bereits ab einem BMI von 27 indiziert.

Bei der Neuzulassung für die Adipositas wurde derselbe Wirkstoff mit einem neuen Handelsnamen versehen. Dieser lautet Wegovy. Es ist letztlich dasselbe Medikament wie das seit 5 Jahren eingesetzte Ozempic. Allerdings wurden für die Dosierungen für die Behandlung des Übergewichts gegenüber der des Diabetes verändert (wohl auch um einen freien Austausch der beiden wirkgleichen Medikamente zu erschweren). Die Verabreichung erfolgt ebenso in Spritzn, welche aber in einem Aufdosierungsschema ab Stufe 4 (nach 12 Wochen) andere Dosierungen als Ozempic aufweisen.

Wie jedes Medikament mit einer Wirkung gibt es auch bei Semaglutid mögliche Nebenwirkungen, welche von harmlosen Störungen des Verdauungstrakts (Verstopfung/Durchfall/Bauchschmerzen) bis hin zu seltenen, aber gefährlichen Nebenwirkungen wie der Bauchspeicheldrüsenentzündung (Pankreatitis) reichen.

 

 

Konkrete Anwendung im Alltag

Anders als vielfach beschrieben ist Semaglutid kein Life-Style Medikament um ein paar kosmetisch störende Kilo aufwandsfrei wegzuschmelzen. Es handelt sich um einen tief in die Körperchemie eingreifenden Wirkstoff, welcher klare Einsatzgebiete hat und ärztlich verschrieben werden muss. Wenn man in die Abwägung mit einbezieht, dass ein deutliches Übergewicht eine Reihe von Folgeerkrankungen mit sich zieht und im Kontext des metabolischen Syndroms zu diversen Krankheiten führt, so kann in einer Risiko-Nutzen-Bewertung ein positives Fazit für den Einsatz von Semaglutid innerhalb der vorgegebenen Grenzen bescheinigt werden. Der Einsatz sollte immer zusammen mit einem ärztlich begleitetem Ernährungsprogramm erfolgen. Zudem wirkt das Medikament nur so lange, wie es eingenommen wird.

Aktuell (Stand 06/23) besteht eine schlechte Verfügbarkeit von Wegovy, so dass selbst Menschen welche die Kriterien für die Behandlung erfüllten aktuell keine Möglichkeit haben diese auf „Kassenrezept“ zu erhalten. Der „Off-label-Gebrauch“ von dem besser (aber immer noch nicht problemlos) verfügbaren Ozempic als Ersatz ist zwar grundsätzlich möglich wird aber von den Krankenkassen nicht übernommen und es besteht das Problem, dass man damit von den empfohlenen Dosierungen für die Behandlung der Adipositas abweichen muss.